Samstag, 10. Mai 2014

Review: Epica - The Quantum Enigma

"Viele Köche vollenden den Brei!"

Leben im Hier und Jetzt...

…und was für ein Glück, dass es in unserem Hier und Jetzt nach wie vor eine niederländische Symphonic Metal Band namens Epica gibt! Denn die sechs Musiker glänzen sowohl mit alten Charakteristika als auch mit verschiedenen Neuerungen.


Eine dieser Neuerungen ist der veränderte Sound, der bereits beim ersten Hören auffällt. Das liegt nicht nur an den neuen Produktionsverantwortlichen, sondern vor allem an Simone Simons selbst, die während ihrer Baby-Pause eine stimmliche Entwicklung durchgemacht zu haben scheint. Beim ersten Hören war ich mir nicht vollkommen sicher, ob es wirklich Simons war, die da sang. Als mir das aber bestätigt wurde, war ich umso begeisterter, denn ihre Stimme klingt voller und dadurch kraftvoller als auf den Vorgänger-Alben, irgendwie mehr aus dem Bauch heraus gesungen. Dieser Eindruck zieht sich durch nahezu das gesamte Album.

Dabei wechselt Simons zwischen verschiedenen Stimmen. Sie nutzt sowohl ihre klassische Sopranstimme (ein typisches Merkmal Epicas, z.B. in „Sense Without Sanity – The Impervious Code“), als auch vermehrt verschiedene tiefere eher rockige Variationen. Besonders diese stechen auf „The Quantum Enigma“ heraus (Bsp.: direkt der Einstieg von The Second Stone). Somit ist der Gesang überwiegend abwechslungsreich, kraftvoll und vor allem leidenschaftlich. Das betrifft auch den glutteralen Gesang von Mark Jansen. Denn auch wenn diese Form in der zweiten Albumhälfte etwas reduziert wurde: Gruntings und Screams gehören zu Epica wie Ernie zu Bert. Neben Simons und Jansen wurden für „The Quantum Enigma“ außerdem zwei Gastmusiker mit ins Metal(l)boot geholt. Marcela Bovio (Backing Vocals) und Daniel de Jongh (Additional Male Vocals), wobei ihr Einsatz eher dezent und es vor allem ein anderes Element ist, das das neue Album neben Simons prägt und mit ihr teilweise in eine Art Wechselgesang tritt: der große Chor. Dieser ist so dominant, dass er nicht nur das Intro „Originem“ in gewohntem Latein und mehrere andere Parts in selbiger Sprache und Englisch singt, sondern sogar einen ganzen Refrain („Reverence – Living In The Heart“). Das verleiht dem Album von Beginn an einen mehr denn je epischen Charakter.

Sowie die gesamte Musik mitreißend und kraftvoll, dazu sehr abwechslungsreich ist. Die Melodien sind fast durchwegs eingängig, haben teilweise sogar Ohrwurmcharakter und liefern somit einen guten Zugang zur teilweise mit viel Bombast inszenierten Musik. So legt „The Quantum Enigma“ nach dem mystisch-epischen Intro mit „The Second Stone“ einen furiosen Start hin. Bereits hier ist mit Simons und Co. in Höchstform zu rechnen und häufige Taktwechsel geben dem Song, so wie dem Rest des Albums, einen dynamischen Charakter. Es folgt die Single und Power-Nummer „The Essence Of Silence“, die gemeinsam mit weiteren Tracks (z.B. „Victims Of Contingency“, „Unchain Utopia“, „Chemical Insomnia“ und „Omen – The Ghoulish Malady“) die härteren Töne des Albums darstellt. Daneben gibt es sanftere Nummern wie das kreative Interlude „The Fifth Guardian“ (eine wunderschöne traditionell chinesisch anmutende Melodie) und die gefühlvolle Ballade „The Canvas Of Life“, die eine emotionale Steigerung enthält und eines der Highlights des Albums darstellt. Davon gibt es viele, was nicht zuletzt an der Zusammensetzung der Künstler liegt.

Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es Simone Simons, die auf „The Quantum Enigma“ mehr denn je mit ihrer Stimme glänzt. Hinzu kommt der Rest der Band, wobei Mark Jansen (Rhytm Guitars, Grunts & Screams), Isaac Delahaye (Lead, Acoustic & Classical Guitars), Coen Janssen (Synths & Piano), Rob van der Loo (Bass Guitars) und Arien van Weesenbeek
(Drums, Grunts & Spoken Word) als eingespieltes Team funktionieren und jeder das Album auf seine Weise prägt. Hinzu kommt ein Streichorchester, das im Wechsel mit den klassischen Metal-Instrumenten das Album zusätzlich unterstützt und sehr eindeutig bereichert.

Was die Musik betrifft, sind die Gitarrenparts für ein Metalalbum teilweise sehr reduziert, die wenigen Soli von Delahaye sind aber wohl platziert und absolut mitreißend (z.B. in „Natural Corruption“). Dem kommt die doppelte Gitarrenbesetzung ebenfalls zu Gute.

All diese positiven Merkmale von „The Quantum Enigma“ werden noch einmal durch die Texte (alle von Simons und Jansen) bereichert. Ein Beispiel für einen Text, der mich persönlich berührt hat, wäre „In All Conscience“. Alles in allem sind die Lyrics teilweise sehr entschlossen, teilweise kritisch, teilweise auch verzweifelt und durchwegs emotional. Die Botschaft des Albums scheint die Aufforderung zu sein, im Hier und Jetzt zu leben und gleichzeitig auf die eigene Stimme zu hören und sich auf sich selbst zu besinnen.

Eine Botschaft, die auch zum mehrdeutigen Titel (eine Mischung aus Wissenschaft und Mystik), sowie Cover und gesamten Albumdesign passt. Das war für mich sehr ansprechend. Einziger Kritikpunkt ist, dass die Lyrics auf der Rückseite des enthaltenen Posters sehr unübersichtlich und unhandlich sind und daher kaum für den Gebrauch geeignet. Für jemanden, der sich näher mit den Inhalten der Musik beschäftigt oder vielleicht sogar selbst mitsingen möchte, ist das ein wenig ärgerlich.

Ansonsten bietet die mir vorliegende Version eine weitere CD mit vier Akustiktracks, drei davon auf dem Album bereits enthaltene Songs und eine neue sich steigernde Nummer (Dreamscape), die teilweise ein bisschen mittelalterlich wirken. Die Alternativversionen finde ich unterschiedlich stark, sie reichen zwar nicht an die Originale heran (Simons hohe Stimme nervt ohne den lauteren Hintergrund an manchen Stellen ein bisschen, ist an den leisen aber berührend), sind aber auf jeden Fall eine interessante Bereicherung.

Fazit: Auf „The Quantum Enigma“ haben Epica alte und neue Elemente miteinander gemischt. Dies wird unter anderem am titelgebenden Song „The Quantum Enigma – Kingdom Of Heaven Part II“, der durch die Fortsetzung eines alten Liedes eine Art Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt, deutlich. Denn bei ihrem sechsten Studiowerk handelt es sich um ein Superalbum mit viel Abwechslung, das die bekannten Stärken Epicas mit einer neuen Power-Simone und mitreißenden Sounds vereint. Daran beteiligt sind alle Bandmitglieder, denn im Gegensatz zu anderen Alben hat hier mindestens jedes Bandmitglied einen Song geschrieben. In diesem Fall kann also das alte Sprichwort keine Verwendung finden, es gilt: Viele Köche vollenden den Brei! Denn der ist in diesem Fall besonders würzig ausgefallen.

Was mit „The Quantum Enigma“ hingelegt wurde, ist eine definitive Steigerung zumindest zum schwächeren Vorgänger, wahrscheinlich sogar ein epischer Neubeginn

Tracklist:
1.      Originem - Intro
2.      The Second Stone
3.      The Essence Of Silence
4.      Victims Of Contingency
5.      Sense Without Sanity – The Impervious Code
6.      Unchain Utopia
7.      The Fifth Guardian – Interlude
8.      Chemical Insomnia
9.      Reverence – Living In The Heart
10.  Omen – The Ghoulish Malady
11.  Canvas Of Life
12.  Natural Corruption
13.  The Quantum Enigma – Kingdom Of Heaven Part II

Additional Track:
14.  In All Conscience

Acoustic Tracks:
1.      Canvas Of Life – Acoustic Version
2.      In All Conscience – Acoustic Version
3.      Dreamscape – Acoustic Version
4.      Natural Corruption – Acoustic Version

Anspieltipps: The Second Stone, The Essence Of Silence, Victims Of Contingency, The Fifth Guardian, Canvas Of Life, All In Conscience (aber eigentlich hat jeder Song seine Stärken)

Bewertung: 14/15 Sehr gut!


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