Leben im Hier und Jetzt...
…und was für ein Glück, dass es in unserem Hier und Jetzt nach wie vor eine niederländische Symphonic Metal Band namens Epica gibt! Denn die sechs Musiker glänzen sowohl mit alten Charakteristika als auch mit verschiedenen Neuerungen.
Eine dieser Neuerungen ist der veränderte Sound, der bereits beim
ersten Hören auffällt. Das liegt nicht nur an den neuen
Produktionsverantwortlichen, sondern vor allem an Simone Simons selbst, die während ihrer Baby-Pause eine stimmliche Entwicklung durchgemacht zu
haben scheint. Beim ersten Hören war ich mir nicht vollkommen sicher, ob es
wirklich Simons war, die da sang. Als mir das aber bestätigt wurde, war ich
umso begeisterter, denn ihre Stimme klingt voller und dadurch kraftvoller als
auf den Vorgänger-Alben, irgendwie mehr aus dem Bauch heraus gesungen. Dieser
Eindruck zieht sich durch nahezu das gesamte Album.
Dabei wechselt Simons zwischen
verschiedenen Stimmen. Sie nutzt sowohl ihre klassische Sopranstimme (ein typisches Merkmal Epicas, z.B. in „Sense
Without Sanity – The Impervious Code“), als auch vermehrt verschiedene
tiefere eher rockige Variationen. Besonders diese stechen auf „The Quantum
Enigma“ heraus (Bsp.: direkt der
Einstieg von The Second Stone). Somit
ist der Gesang überwiegend abwechslungsreich, kraftvoll und vor allem leidenschaftlich.
Das betrifft auch den glutteralen Gesang von Mark Jansen. Denn auch wenn diese Form in der zweiten Albumhälfte
etwas reduziert wurde: Gruntings und
Screams gehören zu Epica wie Ernie
zu Bert. Neben Simons und Jansen wurden für „The Quantum Enigma“ außerdem zwei Gastmusiker mit ins Metal(l)boot geholt. Marcela Bovio (Backing Vocals) und Daniel de Jongh (Additional Male Vocals), wobei ihr
Einsatz eher dezent und es vor allem ein anderes Element ist, das das neue
Album neben Simons prägt und mit ihr teilweise in eine Art Wechselgesang tritt:
der große Chor. Dieser ist so dominant, dass er nicht nur das Intro „Originem“
in gewohntem Latein und mehrere andere Parts in selbiger Sprache und Englisch
singt, sondern sogar einen ganzen Refrain („Reverence
– Living In The Heart“). Das verleiht dem Album von Beginn an einen mehr denn je epischen Charakter.
Sowie die gesamte Musik mitreißend und kraftvoll, dazu sehr abwechslungsreich ist. Die Melodien
sind fast durchwegs eingängig, haben
teilweise sogar Ohrwurmcharakter und liefern somit einen guten Zugang zur
teilweise mit viel Bombast
inszenierten Musik. So legt „The Quantum Enigma“ nach dem mystisch-epischen Intro mit „The Second Stone“ einen furiosen Start hin. Bereits hier ist mit Simons und Co. in
Höchstform zu rechnen und häufige
Taktwechsel geben dem Song, so wie dem Rest des Albums, einen dynamischen Charakter. Es folgt die
Single und Power-Nummer „The Essence
Of Silence“, die gemeinsam mit weiteren Tracks (z.B. „Victims Of Contingency“, „Unchain Utopia“, „Chemical Insomnia“
und „Omen – The Ghoulish Malady“) die härteren
Töne des Albums darstellt. Daneben gibt es sanftere Nummern wie das kreative Interlude „The Fifth Guardian“ (eine
wunderschöne traditionell chinesisch anmutende Melodie) und die gefühlvolle Ballade „The Canvas Of Life“,
die eine emotionale Steigerung enthält und eines der Highlights des Albums
darstellt. Davon gibt es viele, was nicht zuletzt an der Zusammensetzung der
Künstler liegt.
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es
Simone Simons, die auf „The Quantum Enigma“
mehr denn je mit ihrer Stimme glänzt. Hinzu kommt der Rest der Band, wobei Mark Jansen (Rhytm Guitars, Grunts & Screams),
Isaac Delahaye (Lead, Acoustic &
Classical Guitars), Coen Janssen (Synths
& Piano), Rob van der Loo (Bass
Guitars) und Arien van Weesenbeek
(Drums,
Grunts & Spoken Word) als eingespieltes Team funktionieren und jeder das Album auf seine Weise prägt. Hinzu
kommt ein Streichorchester, das im
Wechsel mit den klassischen
Metal-Instrumenten das Album zusätzlich unterstützt und sehr eindeutig
bereichert.
Was die Musik betrifft, sind die Gitarrenparts für ein Metalalbum
teilweise sehr reduziert, die wenigen Soli von Delahaye sind aber wohl
platziert und absolut mitreißend (z.B. in
„Natural Corruption“). Dem kommt die doppelte Gitarrenbesetzung ebenfalls
zu Gute.
All diese positiven Merkmale von „The
Quantum Enigma“ werden noch einmal
durch die Texte (alle von Simons und Jansen) bereichert. Ein Beispiel für einen
Text, der mich persönlich berührt hat, wäre „In All Conscience“. Alles in allem
sind die Lyrics teilweise sehr entschlossen, teilweise kritisch, teilweise auch
verzweifelt und durchwegs emotional. Die Botschaft
des Albums scheint die Aufforderung zu sein, im Hier und Jetzt zu leben und
gleichzeitig auf die eigene Stimme zu hören und sich auf sich selbst zu
besinnen.
Eine Botschaft, die auch zum
mehrdeutigen Titel (eine Mischung aus Wissenschaft und Mystik),
sowie Cover und gesamten Albumdesign
passt. Das war für mich sehr ansprechend. Einziger Kritikpunkt ist, dass die Lyrics
auf der Rückseite des enthaltenen Posters sehr unübersichtlich und unhandlich
sind und daher kaum für den Gebrauch geeignet. Für jemanden, der sich näher mit
den Inhalten der Musik beschäftigt oder vielleicht sogar selbst mitsingen
möchte, ist das ein wenig ärgerlich.
Ansonsten bietet die mir vorliegende
Version eine weitere CD mit vier Akustiktracks,
drei davon auf dem Album bereits enthaltene Songs und eine neue sich steigernde
Nummer (Dreamscape), die teilweise
ein bisschen mittelalterlich wirken. Die Alternativversionen finde ich
unterschiedlich stark, sie reichen zwar nicht an die Originale heran (Simons hohe Stimme nervt ohne den lauteren
Hintergrund an manchen Stellen ein bisschen, ist an den leisen aber berührend),
sind aber auf jeden Fall eine interessante Bereicherung.
Fazit: Auf „The
Quantum Enigma“ haben Epica alte und
neue Elemente miteinander gemischt. Dies wird unter anderem am titelgebenden
Song „The Quantum Enigma – Kingdom Of Heaven Part II“, der durch die
Fortsetzung eines alten Liedes eine Art Brücke zwischen Vergangenheit und
Gegenwart schlägt, deutlich. Denn bei ihrem sechsten Studiowerk handelt es sich
um ein Superalbum mit viel
Abwechslung, das die bekannten Stärken Epicas mit einer neuen Power-Simone und
mitreißenden Sounds vereint. Daran beteiligt sind alle Bandmitglieder, denn im Gegensatz zu anderen Alben hat hier
mindestens jedes Bandmitglied einen Song geschrieben. In diesem Fall kann also
das alte Sprichwort keine Verwendung finden, es gilt: Viele Köche vollenden den Brei! Denn der ist in
diesem Fall besonders würzig ausgefallen.
Was mit „The Quantum Enigma“ hingelegt wurde, ist eine definitive Steigerung zumindest zum schwächeren
Vorgänger, wahrscheinlich sogar ein epischer
Neubeginn!
Tracklist:
1.
Originem
- Intro
2.
The
Second Stone
3.
The
Essence Of Silence
4.
Victims
Of Contingency
5.
Sense
Without Sanity – The Impervious Code
6.
Unchain
Utopia
7.
The
Fifth Guardian – Interlude
8.
Chemical
Insomnia
9.
Reverence
– Living In The Heart
10. Omen – The Ghoulish
Malady
11. Canvas Of Life
12. Natural
Corruption
13. The Quantum
Enigma – Kingdom Of Heaven Part II
Additional
Track:
14. In All
Conscience
Acoustic
Tracks:
1.
Canvas
Of Life – Acoustic Version
2.
In
All Conscience – Acoustic Version
3.
Dreamscape
– Acoustic Version
4.
Natural
Corruption – Acoustic Version
Anspieltipps: The Second
Stone, The Essence Of Silence, Victims Of Contingency, The Fifth Guardian,
Canvas Of Life, All In Conscience (aber eigentlich hat jeder Song seine
Stärken)
Bewertung: 14/15 Sehr gut!
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