Veranstaltungsgebäude (Photo: Albin Olsson, License: CC-BY-SA-3.0) |
Gestern fand der 59. Eurovision Song Contest in Kopenhagen statt, nachdem Emmelie de
Forest ihn im Vorjahr mit „Only Teardrops“ nach Dänemark geholt hatte. Von 37 Ländern hatten es durch die zwei
Vorausscheide 26 Länder ins große Finale
geschafft, das in 45 Ländern ausgestrahlt wurde und über 180.000.000 Menschen
vor die Bildschirme und 11.000 in die Halle lockte. Die drei Moderatoren, die durch den Abend führten, waren eine
Moderatorin, ein Pianist/Fernsehjournalist und ein Schauspieler, die im Laufe
der Veranstaltung vor allem Humor bewiesen, teilweise vielleicht ein bisschen
zu viel Bezug auf China nahmen. Für die deutschen Zuschauer wurde der Abend wie
bereits in den Jahren zuvor vom sympathischen Peter Urban kommentiert.
Das
Besondere
an diesem Jahr war die Tatsache, dass es nicht wie in den Jahren zuvor einen
klaren Favoriten gab, es gab vielmehr einen Pool an möglichen Siegern, wobei
der weitestgehend offen war, was den Abend zu einer spannenden Veranstaltung machte. Dazu sollte auch die musikalische Bandbreite beitragen, die
größer war denn je.
Zu Beginn des Abends wurden die Länderflaggen von Motorradfahrern in
die Halle gebracht, wo sie damit durcheinander liefen. Zu einem gewaltigen
Lichtspektakel mit Feuerwerk und Flammen erklang das Lied „Woo Hoo“ von The
5.6.7.8.‘s, eine weitere Anspielung auf die asiatischen Zuschauer, diesmal
Richtung Japan.
Die drei Moderatoren (Photo: Albin Olsson, License: CC-BY-SA-3.0) |
Zunächst liefen dann alle Teilnehmer einzeln mit Landesnamen
aufgerufen in die Halle ein, ihre jeweilige Landesflagge im Hintergrund. Diese
Szene hat mein Herz durch den enthaltenen Pathos
ehrlicherweise ein wenig zum Klopfen gebracht.
Und dann ging es auch schon los, wobei
alle 26 Auftritte nach demselben
Muster abliefen:
Zuerst ein Video des jeweiligen Künstlers, in dem er irgendwie seine Landesflagge erzeugt und anschließend
fotografiert, das Ganze vom Kommentator mit Hintergrundinformationen zum
kommenden Auftritt versehen. Der fiel dann in den meisten Fällen sehr pompös aus, mit großen Screenings und
touchempfindlichem Boden, Lichteffekten und weiteren Show-Elementen. Die
Auftritte folgten ohne Pause aufeinander, nur nach Deutschland gab es einen
kleinen Cut mit einem kleinen Zwischenspiel, sowie vor der Ergebnisverkündung.
An dieser Stelle gab es reichlich Albereien, Lieblingsgerichte samt
eingeflogenem Koch für wenige Teilnehmer und selbstverständlich den
obligatorischen Auftritt des Vorjahressiegers.
Für mich persönlich bot der Eurovision
Song Contest 2014 vor allem eines: eine besonders große Zahl von schlechten
Auftritten. So groß die musikalische Bandbreite auch gewesen sein mag, wenn
etwa zwei Drittel einfach nur schlecht sind, dann bringt das niemandem etwas. Schlechte Songs und Gesangsdarbietungen
wurden vor allem versucht durch Performances wie akrobatische Einlagen, sportlichen
Darbietungen verschiedener Art und Fanservice auszugleichen. Darüber geht für
mich ein wenig die ursprüngliche
Bedeutung des ESC verloren. Es wird nicht der beste Künstler (fälschlicherweise auf mehreren
Online-Portalen zu lesen), sondern der beste
Song gesucht! Dies spiegelt sich noch annähernd in der Bildunterschrift bei
jedem Auftritt (Songtitel, Interpret und
in klein darunter der/die Songschreiber/-komponist/en). Prinzipiell habe
ich nichts gegen gute Bühnenshows und Choreografien, wenn der Gesang und die Musik trotzdem stimmen. Ein positives Beispiel und ein verdienter
Sieg wäre für mich zum Beispiel Loreen mit „Euphoria“, da stimmte einfach
alles. In der Vergangenheit wurden aber ansonsten sehr häufig Länder nach oben
gewählt, deren Spitzenpositionen ich nicht nachvollziehen konnte. Das hingegen
was dieses Jahr anders!
Meine persönlichen Favoriten waren Armenien
(geniale Stimme und Steigerung, die mich
ein wenig an Peter Gabriel erinnerte), Österreich
(tolle Gesangsdarbietung und auch optisch
bis auf ein Kleinod ansprechend), Deutschland
(unerwarteter Weise souveräne Nummer mit
toller Sängerin mit rauer Stimme), Spanien
(schöne Stimme, emotionale Gänsehautnummer
und passende Regeneffekte), schließlich die Niederlande und Malta (beides eher ruhigere Nummern mit schönen zweistimmigen Parts). Danach Finnland
(sympathische Jungs und Song mit
Ohrwurmcharakter) vielleicht sogar Russland
(optisch interessant und gute Stimmen) und zu guter Letzt Norwegen (toller, emotionaler Text, der gefühlvoll vorgetragen wurde). Alles
Weitere changierte für mich zwischen ganz gut, Mittelmaß und schlecht.
Die Abstimmungsregeln (50% Zuschauer, 50% Jury pro Land) hatte
dann nach teilweise den bekannten Punkteschiebungen und teilweise aufrichtigen
Wertungen folgendes Endergebnis zur
Folge:
1.
Österreich
2.
Niederlande
3.
Schweden
4.
Armenien
5.
Ungarn
6.
Ukraine
7.
Russland
8.
Norwegen
9.
Dänemark
10. Spanien
11. Finnland
12. Rumänien
13. Schweiz
14. Polen
15. Island
16. Weißrussland
17. Vereinigtes
Königreich
18. Deutschland
19. Montenegro
20. Griechenland
21. Italien
22. Aserbaidschan
23. Malta
24. San Marino
25. Slowenien
26. Frankreich
Erstens: Es regnete Buhrufe für Russland, als die
Vertreterin die Punkte verkünden wollte. Ich zumindest habe so etwas bei keinem
ESC jemals erlebt und es ruft natürlich die Frage auf, inwieweit Politik bei
einem solchen Musikwettbewerb eine Rolle spielen darf/sollte/muss. Wenn
Weißrussland Russland wie fast jedes Jahr die 12 Punkte gibt, ist das natürlich
eine ganz andere Berechtigung, die da für Protestrufe herrscht.
Zweitens: Die
französischen Landesvertreter haben scheinbar noch immer nicht gelernt,
Englisch zu sprechen. Der ESC stammt aus Frankreich und das wird auch niemand
vergessen, aber es zeugt schon von gewisser Arroganz, wenn die
Punkteverkünderin in schnellem Französisch
auf die Gastgeber einredet und Verständnis einfach voraussetzt.
Drittens: Es ist keine
wirklich neue Erkenntnis, aber Deutschland
scheint in Europa nicht besonders beliebt zu sein. Denn sprach auch der Urban
von einer seiner Meinung nach sehr großen Konkurrenz, so muss man doch feststellen,
dass der deutsche Auftritt gesanglich zu den stärkeren Nummern gehörte und dass
die konsequente Ignoranz der drei Frauen nicht ganz nachzuvollziehen ist.
Viertens: Europa ist toleranter, als ich zunächst angenommen
hatte. Gerade in den Ostblockländern und im katholischen Irland hatte ich mit
wenig bis keinen Punkten für Conchita
Wurst gerechnet, die mit ihrem Erscheinungsbild bereits im Vorfeld für
Proteste und Polarisation gesorgt hatte. Obwohl ich selbst nicht gerade
überzeugt von ihrem Bart bin, halte ich ihren Sieg für absolut verdient,
denn ihr Auftritt war eine gesangliche Glanzleistung und der Song ebenfalls
sehr ansprechend. Auf jeden Fall gehörte sie sofort zu meinen Favoriten. Sie
hat sich zudem als sehr sympathisch
herausgestellt als sie emotional auf
die zahlreichen Punkte aus den meisten Ländern und den Solidaritäts-Bart der österreichischen Moderatorin reagierte. Ihre Siegesworte waren dann auch sehr schön,
bezog sie sich doch auf Frieden, Freiheit und Einheit, was absolut aufrichtig
wirkte und mit pathetischer Hebegeste besonders gut rüberkam. Es folgte der
passende Siegersong im Bond-Style „Rise
Like A Phoenix“.
Conchita nach dem Finale (Photo: Albin Olsson, License: CC-BY-SA-3.0) |
Alles in allem betrachte ich den Eurovision Song Contest 2014 mit
gemischten Gefühlen. Er war ärgerlich,
da nach wie vor die Ländersympathie das Votingergebnis beeinflusst, aber auch schön, weil die oberen Ränge
größtenteils „richtig“ besetzt waren, auf jeden Fall der richtige Song gewonnen
hat und so die Musik am Ende doch
einen kleinen Triumph feiern konnte.
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