Rezension:
Elke Hartmann – Heirat, Hetärentum und Konkubinat im klassischen Athen
Die Dissertation
„Heirat, Hetärentum und Konkubinat im klassischen Athen“, welche 2002 von Elke
Hartmann publiziert wurde, hat mir mit Abstrichen sehr gut gefallen.
Elke Hartmanns
Arbeit hat einen vorwiegend deskriptiven Charakter. Sie beschreibt, wie bereits
der Titel verrät, die Heirat, das Hetärentum und das Konkubinat im klassischen
Athen. Dafür verwendet sie einen klar strukturierten Aufbau.
Sie beginnt mit
einer ausführlichen Einleitung, die sich über beinahe 40 Seiten erstreckt.
Diese wiederum unterteilt sie in eine Einführung, einen Forschungsüberblick,
den sie wiederum in mehrere Unterpunkte gliedert, eine Fragestellung und
Methode und die erneut untergliederte Quellenlage. Dabei ist der geschichtliche
Hintergrund, den sie beschreibt, und die Zusammenfassung des aktuellen
Forschungsstandes besonders hilfreich für jemanden, der sich noch nicht so sehr
mit dem Thema beschäftigt hat und gleichzeitig für Experten deshalb
interessant, weil Hartmann aufzeigt, auf welchen Grundlagen ihre Dissertation
beruht. Diese werden ebenfalls in der Fragestellung noch einmal erklärt und
können dem Leser als sinnvolles Leitbild beim Lesen dienen. Selbigen Nutzen
erbringt auch der zweite Teil der Arbeit „Gesetzliche Vorgaben zur Partnerwahl
in der demokratischen Polis“.
Es folgen die im
Titel enthaltenen Hauptkapitel, die im Prinzip immer gleich aufgebaut sind: Die
Autorin beginnt mit zwei bis drei größeren Themen, die sie in verschiedene
Unterpunkte gliedert und endet mit einer Zusammenfassung des Gesamtkapitels. Dabei
weist der Hauptteil der Arbeit einige Schwächen auf, die hier exemplarisch
beleuchtet werden sollen.
Wenn sie etwa
Vermutungen als gegebene Wahrheit darstellt und schreibt: „An einem
grundsätzlichen Verbot des Umgangs mit Fremden war Perikles nicht gelegen, es
konnte ihm gar nicht daran gelegen sein, weil er selbst sich bereits um 445 von
seiner athenischen Ehefrau getrennt hatte und danach mit der Milesierin Aspasia
zusammenlebte.“ (S. 72). Der vermeintliche Beweis für ihre Behauptung ist durch
zahlreiche Beispiele einfach zu entkräften. Eines wäre, dass Hitler auch
grundsätzlich gegen Juden war und offen dafür eintrat, in seinem Privatleben
aber durchaus freundschaftlichen Umgang zu einigen Juden pflegte, die er auch
vor seinem eigenen Machtapparat schützte. Desweiteren wirkt ihr Vergleich von
„Hochzeit“ und „Tod“ (S. 77f) erzwungen, sie interpretiert beispielsweise in
das zitierte Gedicht etwas hinein, das meiner Meinung nicht beabsichtigt war.
Die Gegenüberstellung der Hochzeitslieder und den „Schrei[en] der Klage“ zieht
in meinen Augen keine Verbindung zwischen Hochzeit und Tod, sondern eben der
Kontrast zwischen den beiden macht die traurige Bedeutung dieses Abschnitts
aus.
Handelte es sich
bisher um Mängel im historisch-empirischen oder literarisch-interpretatorischen
Bereich, wird auch fachlich teilweise an einer Stelle zu wenig geboten, und
zwar im Kapitel „1.1 Die Bedeutung der engye“
(S. 79ff). Wenn Hartmann „engye“ mit „Sicherheit“ übersetzt, dann begründet sie
das zwar einerseits schlüssig und der Begriff ist möglicherweise eine relativ
gute Annäherung an die wahre Bedeutung, er ist aber andererseits zu limitiert
und eignet sich meines Erachtens nicht für den folgenden Gebrauch (S. 80f). Wer
mindestens zwei Sprachen sehr gut beherrscht, weiß, dass es Begriffe gibt, die
man einfach nicht übersetzen kann, zu viel ist damit verbunden. Das ist sowohl
im Englischen, vor allem aber im Japanischen der Fall und ich bevorzuge an
solchen Stellen in einer wissenschaftlichen Arbeit die Weiterverwendung des
ursprünglichen Wortes, nachdem dessen Bedeutung so gut wie möglich erläutert
wurde.
Bleibt man auf
sprachlicher Ebene, sticht ein Wort schon beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses
ins Auge: Der Konkubinat (Titel des
fünften Kapitels). Wahrscheinlich rührt der falsche Artikel von der Tatsache,
dass das lateinische Ursprungswort maskulin ist, was nichts daran ändert, dass
das deutsche Wort „Konkubinat“ neutrum ist und es somit das Konkubinat heißt. Dieser Fehler ist beim Lesen von Kapitel fünf
besonders störend.
Hartmann setzt
diese Linie fort, wenn sie ihre Interpretation des Terminus pallake (S. 224) auf eine einzige Quelle
stützt, in der dieser nicht einmal erläutert wird, sondern eine bestimmte
Person als „pallake“ bezeichnet wird, was sie offenbar, ohne weitere Beispiele
zu nennen, verallgemeinert.
Von diesen
Punkten abgesehen gibt es eine Sache, die sich durch die gesamte Dissertation
zieht. Die Arbeit besteht aus einer Vielzahl aneinander gereihter Wiederholungen.
Das beginnt mit den Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und endet mit der
Schlussbetrachtung, die diese noch einmal wiederholt. Mag dieser Umstand auch
für jemanden, der sich nur auf diese Zusammenfassungen beschränken möchte, nützlich
sein, so ist er für einen Leser des kompletten Aufsatzes eher überflüssig, da
Elke Hartmann sich nicht durch einen besonders mitreißenden Sprachstil
auszeichnet und man im Nachhinein das Gefühl hat, alles zu lesen und eigentlich
im Hauptteil wenig mehr gelesen zu haben. Es ist zudem bedauerlich, da sie ihr
Potential, das zweifellos vorhanden ist, verschenkt, wenn sie die
Schlussbetrachtung ebenfalls zu einer weiteren einzigen Wiederholung mit
durchwegs deskriptivem Charakter degradiert.
Dass die
Dissertation an einigen Stellen Schwächen aufweist, heißt aber nicht, dass sie
insgesamt schwach ist. Es gibt zahlreiche positive Beispiele, die das Gegenteil
belegen.
Mit dem Kapitel
„Hochzeit“ wird die Arbeit gleich zu Beginn interessant, die Fachbegriffe
werden hier noch sinnvoll und verständlich erläutert. Das Positive setzt sich
im vierten Kapitel mit der Herausstellung des Unterschiedes von Hetären und
Prostituierten fort. Es gibt viele Kulturen, denen die deutsche Sprache mit
Begriffen wie „Prostituierte“ und „Ehefrau“ nicht gerecht wird, da es feinere
Unterteilungen gibt. Elke Hartmann stellt dieses für den athenischen Bereich
sinnvoll heraus und beugt einer Reduzierung der Hetäre vor. In dieselbe Kerbe,
nämlich die der „Ehrenrettung“ der Frau, schlägt auch ihre Herausstellung des
Unterschiedes zwischen Realität und Ideal (S. 124f), denn es besteht laut
Autorin ein Unterschied zwischen der vorgeschriebenen Rolle der Frau und dem
tatsächlichen Maß ihrer Unterdrückung, wie in vielen anderen Kulturen außerhalb
Athens auch.
Als sehr
interessant habe ich zudem Hartmanns Definition von charis empfunden, der sie eine Überschrift mit dem Titel „Charis –
Schönheit, Liebesdienst und Gefälligkeit“ widmet (S. 169ff).
Regelrecht
faszinierend war hingegen die beschriebene Bedeutung, die
dem Angebot eines Apfels inne wohnte. Dass man mit der Annahme eines
angebotenen Apfels im klassischen Athen einer sexuellen Beziehung zustimmte,
ist ein interessantes Feld, das dem Apfel auch außerhalb der christlichen und
nordischen Mythologie symbolische Bedeutung verleiht.
Alles in allem
hat Elke Hartmann also eine interessante Dissertation verfasst, die zwar vor
allem einen darstellenden Charakter hat, aber dennoch auch Neues herausstellt.
Für Anfänger auf dem Gebiet der Antike ist die Arbeit auf jeden Fall
empfehlenswert.
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